Honoré de Balzac, arbiter elegantiarum der Pariser Mode
Stefan Zweig schreibt über ihn:
Man wird Balzac erst glauben, daß er ein großer Dichter ist, wenn er entsprechend seiner Position auftritt […]. Kein Elégant soll sagen dürfen, daß er reicher und teurer gekleidet sei als er, als Honoré de Balzac. Für den blauen frack läßt er sich eigens ziselierte goldene Knöpfe herstellen. Die kostspieligen Seiden- und Brokatwesten muß ihm der wackere Bouisson auf Kredit anschaffen. Und so, die Löwenmähne dick mit Pomade gestrählt, ein kleines Lorgnon kokett in der Hand, betritt der neue Autor die Pariser Salons… Balzacs Versuch, als Elégant aufzutreten, bleibt Zeit seines Lebens ein Mißerfolg. Balzac, Bauernenkel, Bürgersohn, heilloser Roturier, kann sich schon in Folge seines körperlichen Wuchses keine Hoffnung auf aristokratische Figur und Haltung machen. Kein Hofschneider Bouisson, keine goldenen Knöpfe und Spitzenkrausen können diesem vierschrötigen, feisten, rotbäckigen Plebejer […] ein vornehmes Aussehen geben. Ein Balzac, der sich gerade für eine Stunde von der Arbeit losgerissen hat, verrät in seiner Ausstaffierung deutlich die Hast. Die Farbzusammenstellung seines Fracks und seiner Hosen hat Delacroix zur Verzweiflung gebracht. Und was hilft das goldene Lorgnon, wenn die Fingernägel, die es halten, schmutzig sind, die Schuhbänder offen über den seidenen Strümpfen schlottern, was nützen die Halskrausen, wenn das Fett der pomadisierten Mähne, sobald er in Hitze gerät, auf sie herniedertropft… – dieser Balzac kritisiert die Mißstände des gesellschaftlichen Lebens um 1830. Er konstatiert den Verfall der Moral und bedauert, daß weder Originalität noch Schöpferkraft geschätzt würden. Nur oberflächliche und ritualisierte Arten des Benehmens würden zu gesellschaftlichem Erfolg führen. Die aristokratische Gesellschaft schätze die Form mehr als den Inhalt von Gesprächen und Gesten. Man werde akzeptiert, wenn man sich den Verhaltensnormen unterordne und Äußerlichkeiten beachte. Früher sei dies anders gewesen, das Salonpublikum habe gleichzeitig auch Wert auf inhaltlich originelle Beiträge zur Konversation gelegt. Es habe die kulturelle Elite des Landes beieinflußt, weil es durch konstruktive Kritik Anreiz zu neuen Ideen liefern konnte. Nun werde Mediokres mit überschwenglichem Lob aufgenommen. Das Publikum sei unkritisch. Es herrsche das Geld, nicht das Genie. Von keiner Seite seien neue Impulse zu erwarten. Mit Schrecken erinnert er sich an die langweiligen Präsentationen…
Modischen Feinheiten gesteht Balzac in Kreisen der Künstler und Müßiggänger eine wichtige Rolle zu. Hier sei das wahrhaft elegante Leben [„la véritable élégance“] zu finden und es komme darauf an, seine Stellung durch subtile Verhaltensmuster zu demonstrieren. So sei es entscheidend, wie man seine Krawatte binde oder die Farbzusammenstellung seiner Kleidung wähle, welchen Tonfall man seiner Stimme gäbe… Geiz sei in der Mode unelegant. „La Toilette est, tout à la fois, une science, un art, une habitude, un sentiment“.
[Zitate aus: Annemarie Kleinert – „Die frühen Modejournale in Frankreich“ / Erich Schmidt Verlag]